Die Verwendung von Handgranatenkörpern zur Herstellung von Hausrat


deutsche Eihandgranate Modell 1939
deutsche Eihandgranate Modell 1939, hier mit Fertigungsstempel 'msl', der für die Arno Birkigt, Aparate- und Leichtbau Werke Rostock, Lübecker Str. 159-160 steht.


Hier sind nur Konversionen der Stufe C bekannt, also Hausratsgegenstände in denen ganze oder Teile von Handgranaten nahezu unverändert zu Hausrat ergänzt wurden.
An und für sich waren Handgranaten wegen ihrer Form und geringen Größe kein ideales Ausgangsprodukt zur Herstellung von Hausrat. Insbesondere die ovale Form der Eihandgranate 39 besaß keine natürliche Standfläche und schloss die Produktion vieler dringend benötigter Ausstattungsstücke aus.

Es spricht für den großen Mangel an Gebrauchsgegenständen aller Art, dass dennoch fabrikmäßige Konversionen aus Handgranaten hergestellt wurden. Dabei waren Handgranaten mit Metallblechgehäuse in den letzten Kriegsmonaten bereits knapp und mehr und mehr durch Handgranaten mit Holzkörper oder mit Betonmantel ersetzt worden.

Ich hatte verschiedentlich darüber geschrieben, dass Sprengmittel - somit fertig fabrizierte Handgranaten - unter strenger Aufsicht der Alliierten lagerten bzw. vernichtet wurden, da die Besatzungstruppen vorbeugen wollten, dass sich fanatische Nationalsozialisten wieder bewaffnen und einen Guerillakrieg beginnen konnten, wie Hitler dies in seinen letzten Reden von den Deutschen verlangt hatte.

Für die Konversion kamen daher nur ungefüllte Blechkörper von Handgranaten, Einzelteile davon und Prägevorstufen in Frage, die noch in Blechwarenfabriken bzw. Munitionsfabriken lagerten.
Es ist anzunehmen, dass die meisten Konversionen dann auch genau in diesen Fabriken oder in deren Nähe erfolgten.
Gleichzeitig besaßen diese Firmen eventuell noch die Tiefziehformen für die Handgranatenteile und zugehöriges Blech. Was lag für Firmen, die über keine anderen nutzbaren Pressformen verfügten, näher, als damit nach dem Krieg Produktionsstufen der Handgranatenkonstruktion - ev- abgeändert - direkt zur Herstellung von Hausrat nachzufertigen, wie es z.B. zur Herstellung kleiner Soßenkellen erfolgte.
Die wenig geeignete Form der Handgranate beschränkte die Nutzen für Nachkriegsprodukte allerdings auch auf die unmittelbare Nachkriegszeit 1945/46. Danach fanden sich selbst unter den noch immer extrem schlechten Produktionsbedingungen in der Regel bessere Lösungen.

Obwohl die Form der Eihandgrante weniger geeignet für zivile Produkte erscheint, tauchen Gegenstände aus dieser in weit aus größerer Vielfalt auf als Produkte aus Stielhandgranaten. Von den letzteren findet man vor allem Kartoffelstampfer, bei denen der Holzstiel der Handgranate als Handgriff Verwendung gefunden hat.
Es hätte wohl nahe gelegen, den Kopf der Stielhandgranate zur Herstellung von Bechern zu verwenden, an denen ein riesiger Mangel bestand. Vor allem, wenn man beachtet, welche anderen viel ungeeigneteren Teile so einen neuen Nutzen fanden.
Mir sind solche Becher allerdings nicht bekannt. Vielleicht liegt es daran, dass der hoch legierte dünne Stahl leicht rostete und solchen Bechern kein langes Leben beschieden war.

Eine interessante Nachkriegsnutzung der Eihandgranate war der Einsatz des unveränderten Blechmantels als Streudose für ATA-Scheuerpulver. Zünderseits war ein Siebblech eingesetzt und auf dem Granatmantel war eine ATA Banderole aufgeklebt. Als ehemalige Verpackung von Verbrauchsmaterial wurden sicher nur wenige Exemplare aufgehoben und tauchen sehr selten in Auktionen auf.



Babyrassel aus Eihandgranate Modell 1939

Sicher weit verbreitet war die Nutzung der kompletten Eihandgranatenteile als Babyrassel. Dabei wurde die Abdeckplatte mit dem ansonsten nach innen führenden Zünderrohr einfach umgekehrt montiert, so dass das Zünderrohr nun als Handgriff verwendet werden konnte. In den Handgranatenköper wurde zuvor eine Holz- oder Tonkugel gelegt. Da diese Ton- bzw. Holzkugeln bei häufigerem Gebrauch platzten und deren Teile aus den beiden Schalllöchern rieselten, findet man diese Rasseln heute fast immer ohne Kugel.
Ob die beiden Schalllöcher nun technisch bedingt waren, oder aber nach Vorschrift der Alliierten angebracht werden mussten, um eine Rekonvertierung zur Handgranate auszuschließen, ist nicht bekannt.
Die hier gezeigte Rassel wurde aus einem bereits fertiggestelltem Handgranatenkörper produziert, was man daran erkennen kann, das bereits der Herstellercode 'etm' eingeprägt worden war. Die Kennzeichnung 'etm' war im 2. Weltkrieg an die Firma Herdfabrik & Emaillierwerk G.m.b.H. Darmstadt, Landwehrstr. 63-67 vergeben




Klingel aus Eihandgranate Modell 1939

Diese Klingel ist ähnlich aufgebaut wie die oben beschriebene Babyrassel. Allerdings wurde hier nur das Oberteil der ehemaligen Handgranate verwendet. Das Zünderrohr wurde wieder umgekehrt als Handgriff eingesetzt. Mit dem Flansch des Zünderrohrs wurde jedoch zuvor eine Scheibe mit Öse in das Oberteil der Handgranate eingesetzt. An dieser Öse wurde dann der Klöppel befestigt.
Ob es sich um eine Tischklingel 'feiner Leute' oder auch um ein Kinderspielzeug handelte, ist nicht geklärt. Sicher wurde die Klingel einfach - wie alle Notfertigungen der Nachkriegszeit - für die verschiedensten Möglichkeiten genutzt.



Spielzeugkreisel aus Eihandgranate Modell 1939

Eine seltenere Nutzung ist die Verwendung als Kreisel (Dopsch). Hierzu wurde das Lager des Tragerings nach unten spitz herausgebeult, damit eine Kegelspitze entstand. Statt des Zünderrohrs wurde eine Kappe mit Kragen eingefalzt. Darin war ein Haltering drehbar gelagert. Wickelte man nun eine Schnur bzw. legte die Peitschenschnur um den Kragen und zog diese schnell ab während man gleichzeitig den Kreisel mit dem Haltering auf den Boden presste, so rotierte der Kreisel auf dem Boden und konnte wie ein normaler "Dopsch" mit einer Peitsche über den Boden getrieben werden.


Flaschentrichter aus Unterteil Eihandgranate  Modell 1939

Lebensmittelbevorratung für die Winterzeit war eines der großen Probleme der Nachkriegsjahre. Waren doch Eisschänke oder gar Gefrierschränke kaum oder überhaupt nicht vorhanden. Die meisten Familien hatten erst ab Mitte der 50er Jahre einen Eisschrank.

Lebensmittel haltbar zu machen, bedeutete vor allem, diese in Gläser einzukochen. Aber auch Obstsäfte wurden in großem Maße bevorratet. Diese aus Eihandgranaten gefertigten Trichter dienten dazu, den frisch gekochten und heißen Saft in Flaschen zu füllen, um diese dann luftdicht zu verschließen. Die Trichter bestehen nicht aus demontierten Granaten, sondern dem rohen Unterteil der Eihandgranate mit eingeschweißtem Zünderrohr als Abflussrohr. Sie sind dunkelantrazith emailliert.

Flaschentrichter aus Oberteil der Eihandgranate  Modell 1939


Man findet auch seltener Trichter, bei denen das Oberteil einer Eihandgranate verwendet wurde.


 Soßenkelle aus Eihandgranate  Modell 1939

Relativ häufig findet man Soßenkellen aus dem Unterteil von Eihandgranaten oder aus anderem Blechmaterial das in Handgranatenformen nach Kriegsende gezogen wurde. Die Schöpflöffel aus Handgranatenblech kann man noch gut an der relativ dünnen Wandung und der Stahllegierung erkennen. Ganz sicher kann man sein, wenn sich unten im Zenit der Kuppel noch eine kleine Ausprägung findet. Diese wäre bei der Handgranate der Fixierpunkt für das Halteblech des Tragerings gewesen.
Soßenkellen aus anderen Materialien lassen sich nur durch Ausmessung bestimmen. Da die Eihandgranaten allerdings in mehreren Stufen in verschieden großen Formen ihre Endform erhielten, ist auch das nicht immer mit Sicherheit möglich. Denn es musste ja nicht notwendigerweise die gesamten Prägestufen der Handgrananten auch bei Soßenlöffelnäpfen angewendet werden. Bei der Energieknappheit war solcher Aufwand, der ja für den Gebrauch keine Vorteile brachte, sogar eher unwahrscheinlich. Aber erst durch die letzte Pressung erhielt ein Handgranatenteil seine Endform und Endgröße. Gerade bei Kellen aus Aluminiumblech weisen lediglich die Größe der Löffelschale und die Vernietung, bzw. Fertigung des Stiels auf die Nachkriegszeit und die Möglichkeit der Fertigung in einer ehemaligen Tiefziehform für Handgranaten hin.



Feuerzeug aus Splittermantel von Eihandgranate  Modell 1939

Dieses Feuerzeug wurde nicht aus der Eihandgranate selbst hergestellt. Vielmehr gab es gegen Kriegsende einen zusätzlichen zweigeteilten Blechmantel, dessen Hälften von oben und unten über die Granate gestülpt und mitten mit Bajonettverriegelung aneinander befestigt wurden. Man kann auf dem Bild diese Verriegelunsschiene in der Mitte des Blechmantels gut erkennen. Sinn dieses Blechmantels war es, die Handgranate, die zuvor hauptsächlich Druckwirkung erzeugte, zu einer Waffe mit Splitterwirkung zu machen. Eine genauere Beschreibung dieses in Sachsen 1947 hergestellten - aber offenbar kaum noch verkauften - Feuerzeuges finden Sie hier .


kleine Tisch-Wandlampe aus Eihandgranate Modell 1939

Diese kleine Öllampe, die als Tischlampe wie abgebildet oder mit um 90 Grad abgewinkeltem Tank als Wandlampe benutzt werden konnte, konnte von uns bisher nicht identifiziert werden. Ohne jeden Zweifel handelt es sich um eine Rüstungskonversion aus der Zeit um 1946. Sie trägt sogar die original Wehrmachtsfabe. Der Sockel könnte aus einem Kfz Rücklichteinsatz gefertigt sein. Der Tank hat unten zwar die typische Form des Handgranaten-Oberteils, ist hier aber im Durchmesser zu dick.


deutsche Stielhandgranate Model 1943

Von Stielhandgranaten sind bisher nur wenige verschiedene Teile aufgefunden worden.
Kartoffelstampfer aus deutscher Stielhandgranate Model 1943

Man findet hier vor allem Kartoffelstampfer, deren Stiel von der Stielhandgranate Modell 1943, einer vereinfachten Ausführung der Stielhandgranate 24, stammt. Diese Kartoffelstampfer sind allerdings häufiger als die oben gezeigten Konversionen aus der Eihandgranate.

Trinkbecher aus dem Sprengtopf der deutschen Stielhandgranate Model 1943

Becher aus dem Kopf einer deutschen Stielhandgranate Modell 1943

© horst decker