Lampe aus Kanonenhülse


Aus heutiger Sicht ist der Begriff Lampe zu einschränkend. Bedenkt man jedoch, dass das Wort Lampe früher mehr eine kleine, offene und tragbare Feuerstelle bezeichnete, wie man an dem Wort Lötlampe noch erkennen kann, so trifft das den Nutzen dieser Lampe besser.
Wie schon angeführt, war in der Nachkriegszeit der Hausrat so knapp, dass viele Dinge notgedrungen für die verschiedensten Zwecke benutzt werden mussten.

So war es in dem kalten Winter 1946 für viele deutschen Bürger ein riesiges Problem, die Raumtemperatur einigermaßen erträglich zu halten. Dies betraf vor allem Flüchtlinge und Vertriebene, die mangels Wohnraum häufig mit Schuppen, Scheunen , Kellern, Dachböden und Ställen vorlieb nehmen mussten, für die eine Heizmöglichkeit überhaupt nicht vorgesehen war, und die nur mühsam und unvollkommen winddicht zu machen waren. Es bestand daher ein großer Bedarf an einfachen Heizungen, die ohne weitere Vorbereitung und Umbauten in Betrieb genommen werden konnten.

Als Folge der Bombardierungen des 2. Weltkrieges war die Stromversorgung vieler Städte und Ortschaften vorerst nicht gewährleistet. Zudem gab es für Privatverbraucher häufig Stromsperren zu Gunsten der Industrie, deren Versorgung zum Wiederaufbau der Volkswirtschaft als vorrangig angesehen wurde. Zu gleichem Zwecke war der Stromverbrauch rationiert und Mehrverbauch stand unter Strafe. Man benötigte daher Strom unabhängige Lichtquellen.

Aber ebenso wie Heizmöglichkeiten fehlten vielerorts auch Kochmöglichkeiten. Immerhin war der Küchenherd meistens Koch- und Heizofen in einem. Man benötigte daher einfache, leicht an Bedürftige zu zu verteilende Kochmöglichkeiten.

All das konnte, schaut man auf die Ursprünge menschlichen Lebens zurück, ein und das selbe Gerät leisten, offenes, kontrollierbares Feuer.

Aufbau der Lampe

Als der 2. Weltkrieg ausbrach, waren Öllampen noch weit verbreitet. Gerade im Krieg, in dem es ebenfalls zu Stromsperren kam, waren sie ebenso Notwendigkeit, wie nach Bombardierungen, die das Stromnetz getroffen hatten. Allerdings waren die Öltanks dieser Lampen fast immer aus Keramik oder Glas. Diese hatten so den Krieg in stärker bombardierten Städten kaum überlebt. Die Ölbrenner waren allerdings noch vorhanden und konnten weiter genutzt werden. Generell fehlten nach dem 2. Weltkrieg Hohlkörper aller Art. In sehr hohem Maße wurden diese durch Teile von Kanonenhülsen ersetzt, so auch hier.
Eher seltener ist es, dass hier eine amerikanische Hülse genutzt wurde. Zwar lagen diese noch häufig in umkämpften Gebieten. Aber dieser Rüstungsschrott wurde systematisch gesammelt und musste an die Amerikaner zurückgegeben werden. Denn Kanonenhülsen konnten mehrfach nachgeladen werden, was zu Rüstungskosteneinsparungen führte.
Denkbar ist letztlich die Möglichkeit, dass diese Hülse illegal gesammelt worden war, was natürlich regelmäßig vorkam, da ihr Nutzen für den Finder weit aus höher war, als eine eventuelle Vergütung der Sammelstellen.
Aber es wurden von speziellen Stellen auch ganz offiziell Rüstungsmaterialien, für die ansonsten momentan kein Bedarf bestand, an Firmen als Rohstoffe verkauft.
So waren unmittelbar nach Kriegsende die US-Transportkapazitäten vollständig ausgeschöpft, da der Krieg im Pazific noch andauerte. Von den bei der Invasion eingesetzten 4 Millionen US-Soldaten wurde daher die Hälfte sofort nach Kapitulation Deutschlands nach Asien verlegt. Mangels Transportkapazität blieb deren gesamtes Material in Europa und wurde dort offiziell an Bedürftige ausgegeben oder verkauft.

Die hier verwendete Kanonenpatrone vom Typ M19 cal. 90mm wurde 1944 produziert und sicher während des Kriegsendes hier verschossen.



Von der ursprünglich 60cm langen Hülse wurden unten knapp 15cm abgetrennt. Auf dieses lange Bodenstück wurde oben ein Kupferdeckel aufgelötet, in dessen Zentrum wiederum der Gewindeeinsatz eines Lampenbrenners gelötet wurde.
In dieses Gewinde passt der 'Kriegslicht' Brenner, der sich durch hohe Brennstoffausbeute auszeichnet. Durch Dochte wird die Tankflüssigkeit angesaugt und anschließend im Brenner vergast. Hierdurch ergibt sich eine heiße und helle Flamme, die sich sowohl als Lichtquelle, als auch zum Kochen und Heizen eignet.

Seitlich an die Hülse sind 2 dünne Messingrohre als Träger für den Topfkranz angelötet.
Der Ring des Topfkranzes ist nicht identifiziert. Wahrscheinlich ist er mittels einer Sickenmaschine aus Kupferband gerollt worden.


Insgesamt sieht die Ausführung nach einer Spenglerarbeit aus. Die Lampe dürfte daher nur in geringen Stückzahlen hergestellt worden sein. Im gesetzten Rahmen war sie durchaus zum Heizen, Kochen und als Lichtquelle einsetzbar.
Da allerdings bewährte Muster oft durch Mund-zu-Mund Propaganda bekannt gemacht wurden, ist es möglich, dass es ähnliche Modell und Varianten in einer gewissen Vielfalt gab.



© horst decker